Mittwoch, 4. September 2013

Leuchtturm am Mittwoch

Immer nur die Förde rauf und runter zu rutschen, ist auf Dauer weder erquicklich noch erweitert es den Horizont. Da müssen schon ab und zu ein paar eingestreute Bonbons die Lust am Paddeln immer wieder neu beleben. So haben wir uns verabredet, heute zum roten Leuchtturm zu fahren, der - wer weiß wie lange noch - so verlockend vor der Mündung unseres heimischen Fjords lauert.

Wir können heute bilderbuchmäßig studieren, wie ein grundlegender Wechsel der Wetterlage abläuft: Seit Tagen haben wir erklecklichen Wind aus ziemlich genau westlicher Richtung. Über Mittag schläft er nicht nur vollkommen ein, er kommt auch aus einer um volle 180 Grad gedrehten Richtung, nachdem er allmählich wieder aufwacht. Da der Wind nach dem Einschlafen halt erst allmählich wieder in Fahrt kommt – was ich gut verstehen kann - haben wir nicht ganz die Wellen, die ich mir erhofft hatte. Aber trotzdem hat das Wasser eine andere Stimmung, einen anderen Charakter hier draußen.

Zwar sind ein knappes Dutzend Teilnehmer zusammengekommen, aber wir haben es geschafft, für alle eine Mitfahrgelegenheit und vor allem eine Transportmöglichkeit für die Boote zu organisieren, um zum Strand vor Bülker zu fahren. Von hier aus sind es gute sieben Kilometer zur Lotsenstation, als die der Leuchtturm immer noch genutzt wird. Ich sage meinen Mitpaddlern, dass das Ziel der heutigen Tour von unserem Startplatz aus ziemlich genau in 45 Grad liegt (blaue Linie in der Graphik). Zudem haben wir einen leichten Ostwind, so dass unser Kompasskurs etwas darüber liegen sollte. Um die Navigation etwas leichter zu gestalten, schlage ich vor, dass wir auf der Linie entlangfahren, die die beiden Kabeltonnen bilden. Ich lasse einen GPS-Tracker mitlaufen und kann so unsere Spur genau nachvollziehen, die wir durchs Wasser gezogen haben. Zur besseren Illustration habe ich drei gerade rote Linien gezogen, die den Track der Hintour praktisch komplett verdecken. Lediglich die Spur der Rücktour ist neben der roten Linie zu sehen.
Trotzdem wir anfangs deutlich über 45 Grad steuern, liegt unser Kurs über Grund nur etwas über dreißig Grad. Als wir in die Nähe der ersten Kabeltonne kommen, wird auch deutlich, woher denn eine so starke Abdrift bei dem vergleichsweise lauen Wind rührt: Es herrscht eine unerwartet starke Strömung in westliche Richtung. Durch den Wechsel der Windrichtung drückt halt das Wasser, dass die ganzen letzten Tage aus der Eckernförder Bucht geweht wurde, nun wieder zurück in seine Heimat. Es ist für alle eine Überraschung, dass auf der Ostsee, die keine Tide kennt, dermaßen signifikante Strömungen auftreten können.

Für die weitere Fahrt gebe ich als Losung aus, dass die in der Ferne gerade erkennbare zweite Kabeltonne mit dem Leuchtturm in Deckung bleiben soll. Um das zu erreichen, müssen wir deutlich östlich vorhalten, um Strom und Wind zu kompensieren. Aber mit dem Auftrag, zwei Punkte in Deckung zu halten, ist das kein großes Problem. Ich frage unterwegs alle, die einen Kompass an Bord haben, nach dem Kurs,den sie darauf ablesen. Die meisten nennen etwa 70 Grad, manche sogar 90, aber das Ablesen eines Kompasskurses auf einem so kleinen Boot in einigermaßen bewegter See ist nicht ganz einfach. Auf meinem lese ich im Mittel immerhin etwa 65 Grad ab. Diese Peilung habe ich als grüne Linie ebenfalls in die Graphik eingetragen.

Es ist ganz beachtlich, wenn man bedenkt, dass unser wirklicher Kurs von anfangs 51 und später 46 Grad nur erreicht werden konnte, indem wir mehr als 65 Grad gesteuert haben. Das sind 15 bis 20 Grad Abdrift bei einer Windstärke von lauen drei Beaufort! Neben dem Reiz, einmal eine andere Strecke als an einem gewöhnlichen Mittwoch gefahren zu sein, haben wir heute an praktischem Beispiel ausgesprochen wertvolles über Wetter, Strömung und Abdrift gelernt.

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